“Sell Betweens” – Die Kunst der subtilen Einflussnahme

Oft glaubt man, dass gute Gespräche in Kunden-Meetings einen Deal vorantreiben. Doch der Entscheidungsprozess beim Kunden verläuft selten punktuell von Meeting zu Meeting in denen man als Vertriebler dabei ist – es gibt immer auch interne Diskussionen, Unsicherheiten, konkurrierende Prioritäten etc.

Hier setzen „Sell-Betweens“ an: kleine, strategische Kommunikationsimpulse zwischen Meetings, die das Denken der Stakeholder beeinflussen, ohne dass es wie klassische Follow-ups wirkt. Der Schlüssel: personalisierte, nicht-drängende Inhalte mit echtem Mehrwert – und ohne direkte Aufforderung zur Handlung.


Die Schritte zum ersten Sell-Between

1. Urgency & Erwartungsmanagement

Ein gelungenes Erstgespräch beginnt mit einer klaren Frage nach der Motivation des Kunden. Dafür eignet sich eine Skalierungsfrage zur Dringlichkeit:

  • Education-Modus – Kunde informiert sich ohne akuten Handlungsbedarf
  • Latente Problemerkennung – Problem ist bekannt, aber (noch) nicht vordringlich
  • Akute Notwendigkeit – das Problem ist jetzt präsent und relevant

Durch diese Einordnung kann herausgefunden werden, ob der Zielkunde nur neugierig ist oder wirklich handeln muss – und ob sich ein Follow-up lohnt.


2. Nach dem Meeting: Den Champion identifizieren

Ein echter Champion im Buying Committee ist mehr als ein Fürsprecher. Er zeigt sich durch drei Verhaltensweisen:

  • Asynchrone Initiative: Holt eigenständig Infos ein oder klärt intern offene Fragen.
  • Multiplikation: Bringt aktiv weitere Entscheider oder Stakeholder in Folgegespräche.
  • Navigation: Kennt interne Prozesse oder kann nächste Schritte vorschlagen bzw. differenzieren.

Wer diese Anzeichen frühzeitig erkennt, sollte alles daran setzen, diesen Kontakt strategisch zu fördern.


3. Sell-Betweens gezielt einsetzen

Sell-Betweens sind keine Follow-ups. Es sind wertvolle Impulse, die entweder Erkenntnisse liefern, zum Nachdenken über den Status quo anregen oder das Vertrauen in eine Veränderung stärken, also Fear, Uncertainty & Doubt einer Fehlentscheidung ansprechen.

Beispiele:

  • 📊 Insight-Mails: z.B. ein Auszug aus einer offiziellen Statistik oder Aussage.
  • 🧠 Kurze Videos oder LinkedIn-DMs mit z.B. Benchmarks oder Branchentrends.
  • 🗞️ Artikel von Branchenverbänden oder Fachzeitschriften, die aktuelle Herausforderungen und Lösungen aufzeigen.

Wichtig: Keine Call-to-Action! Das Ziel ist Präsenz ohne Druck.


Inhaltliche Differenzierung nach Hierarchieebene

Effektive Vertriebsimpulse richten sich immer nach dem Informationsbedürfnis der jeweiligen Zielperson. Content aus Drittquellen erzeugen dabei immer viel mehr Vertrauen als Eigenmarketing:

EbeneFokusTypischer Content
EndnutzerArbeitserleichterung, UI, UsabilityProduktvideos, Screenshots, Tutorials
Team/Bereichs-ManagerTeamziele, KPIs, EffizienzCase Studies, Benchmarks, Performance Reports
ExecutiveUnternehmens-Strategie, Risikominimierung, InnovationMarktanalysen, Compliance-Risiken, Wettbewerber-Analysen

Von TCO zur Risikovermeidung: Die Psychologie hinter Entscheidungen

Studien zeigen: Menschen vermeiden lieber Verluste, als dass sie Gewinne anstreben. Daher setze nicht nur auf Einspar-Effekte, sondern sprich aktiv – aber mit bedacht – Risiken des Status Quo an. Z.B. Risiken wie Datenverluste, Compliance-Verstöße sind oft stärkere Katalysatoren als positive Zukunftsszenarien einer TCO Betrachtung.

Das bedeutet:

  • Frühe Phase → Problembewusstsein stärken (z. B. durch Aufzeigen von Risiken des Nichtstuns & TCO)
  • Spätere Phase → Risiken der Umsetzung adressieren (z. B. durch Mutual Success Plan & Referenzgespräche)

Verkaufsgespräche sollten sich also wandeln – vom “Was bringt mir das?” oder auch “Was verhindere ich?” zum “Wie stelle ich sicher, dass nichts schiefläuft?”.


Multi-Threading: Breite Kontaktstrategie für komplexe Deals

Nach dem Erstgespräch beginnt der Rhythmus: zwei Tage später z.B. ein Insight via LinkedIn, dann eine E-Mail, dann vielleicht ein kurzes Video. So bleibt der Verkäufer präsent – ohne aufdringlich zu wirken. Diese Sequenzen laufen bis zum Vertragsabschluss – und oft darüber hinaus, um Adoption und Expansion zu fördern.

In großen Organisationen entscheidet nicht eine Person, sondern ein Gremium.

Erfolgreiche Kommunikatoren:

  • sprechen mit mehreren Personen auf allen Ebenen (horizontal & vertikal)
  • benutzen interne Projektnamen oder Terminologien nutzen, um Insiderstatus zu signalisieren
  • liefern Informationen, die zeigen, dass Peer-Unternehmen oder Konkurrenten schon umgesetzt haben.

Ein erster persönlicher Kontakt ist nur ein Einstiegspunkt in ein vielschichtiges Netzwerk, das aktiv aufgebaut und gepflegt werden muss. Insbesondere zwischen Meetings.


Do’s & Don’ts der Sell-Betweens

Die größte Todsünde: Nachrichten ohne Mehrwert. Wenn ein Update nicht informiert, inspiriert oder differenziert – lieber nichts senden.

✅ Senden:

  • Studien von Drittanbietern (Gartner, Forrester etc.)
  • Praxisberichte von vergleichbaren Kunden
  • Branchenrelevante Trends mit konkretem Bezug zum Kundenziel

❌ Nicht senden:

  • Allgemeine „Nur kurz nachgefragt“-Mails
  • Eigenwerbung ohne Bezug zum konkreten Kontext
  • Inhalte ohne nachweisbaren Wertbeitrag

Litmus-Test: Müsste der Kunde für diese Informationen evtl. sogar Geld oder viel Zeit investieren, um sie zu bekommen?


Fazit: Subtile Präsenz mit Mehrwert

Zwischen Meetings entscheidet sich oft der eigentliche Verkaufserfolg. Wer dort mit strategisch durchdachten Sell-Betweens präsent bleibt, Vertrauen schafft und Inhalte mit echtem Mehrwert liefert, verschiebt die Gewichtung des Entscheidungsprozesses zu seinen Gunsten – leise, aber wirksam. Es ist die Kunst, ohne Forderung im Gedächtnis zu bleiben – als Berater, nicht als Verkäufer.